Prinzipielle Bedingungen für den Ermutigungsprozess
Nach dieser Auffassung ist der Ermutigungsprozess ein komplexer Vorgang und bedarf grundlegender Voraussetzungen von Seiten des Supervisors. Dem Supervisor sollten seine eigenen Maßstäbe, Wertigkeiten und Einflussmöglichkeiten bewusst sein, um persönliche Anteile, die an der Konstituierung der Situation beteiligt sind, erkennen und reflektieren zu können. Lehrsupervision und Selbsterfahrungsgruppe während des Studiums sind die Orte, an denen diese Fähigkeiten (weiter)entwickelt werden. Im Anschluss an das Studium sollten Kontrollsupervisionen die Aufgabe der Stabilisierung und Aufrechterhaltung dieser Qualifikationen übernehmen.
Gelingt es dem Supervisor, seine Anteile zurückzustellen, um sich so auf die Sichtweise, das Erleben und die Interessen des Supervisanden einzulassen, ihn als Person ernst zu nehmen, ihn wertzuschätzen so wie er ist, mit all seinen Schwächen und Unzulänglichkeiten, und das Vertrauen in ihn zu setzen, dass er selber in der Lage ist, seine Probleme zu lösen, also Lösungsansätze als in ihm vorhanden akzeptiert, sind die Weichen für einen erfolgreichen Versuch der Ermutigung gestellt.
Weitere Bedingung ist auch, dass der Supervisor über Kenntnisse des Problems verfügt. Das bedeutet nicht, er muss alle Probleme, bei deren Bewältigung er unterstützen möchte, selbst durchlebt und bearbeitet haben. Aber ein Einblick in die Thematik erleichtert ihm eine ungekürzte Sichtweise und trägt zu einer umfassenderen Einschätzung bei.
Von ähnlicher Relevanz verstehe ich die Annahme des Problems von Seiten des Supervisors. Wenn ihm selbst ein Problem zu unangenehm, zu schwierig, zu banal erscheint, ihn ängstigt oder bedroht, wird es ihm nicht möglich sein, sich vorbehaltlos mit der notwendigen Einfühlung und dem erforderlichen Verständnis dem Supervisanden zuzuwenden.
Da Ermutigung aber keine Methode ist, die jemand an jemandem ausprobiert, sondern eine Haltung und Handlung, die sich in der gesamten gegenseitigen Beziehung zwischen den beteiligten Personen ausdrückt, fällt auch dem Supervisanden eine wesentliche Aufgabe zu: er muss die Ermutigung zulassen. Ein Supervisor kann sich noch so sehr bemühen, von seiner Seite aus alle Bedingungen für den Ermutigungsprozess zu erfüllen; wenn der Supervisand sich weigert, mit einzusteigen, werden diese Bemühungen keinen Erfolg haben.
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