Interventionsstrategien

Interventionsstrategien im Vergleich zur Ermutigung

Bastine (1975, zit. in Antoch, 1981; 144) hat neun Interventionsstrategien, die in den verschiedensten Beratungs- und Therapiearten Anwendung fin­den, zusammengetragen: das Amplifizieren, das Vereinfachen, das Rückmelden, das Akzentuieren, das Unterbrechen von Handlungsketten, das Konfrontieren, das Modellie­ren, das Selbstaktivieren, das Attribuieren.

In der Auseinandersetzung, inwieweit andere intervenierende Verhaltens­weisen eines Supervisors in das individualpsychologische Konzept der Ermutigung integriert werden können, orientiere ich mich an Antoch, der sich gleichermaßen mit einem Versuch, Interventionsstrategien miteinan­der zu vergleichen, beschäftigt hat (Antoch, ebd.).

Während Bastine auf Ordnungskriterien bei den einzelnen Interventionstrategien ver­zichtet hat, bedient sich Robert Antoch einer Idee Heisterkamps (1980; zit. in Antoch, ebd.), der in strukturierende und umstrukturierende Methoden einteilt. Demnach zählt Antoch das Amplifizieren, das Vereinfachen, das Rückmelden und Akzentuieren zu den strukturierenden, das Unterbrechen von Handlungsketten, das Konfrontieren, das Modellieren zu den umstrukturierenden Methoden und ordnet das Selbstaktivieren und Attri­buieren beiden Kategorien zu. Diese sinnvoll erscheinende Einteilung ist übernommen worden.

Das Amplifizieren – Erweiterung, weitere Ausführungen
Der Supervisor erweitert das Problembewusstsein des Supervisanden. Ungenaue, ambivalente, widersprüchliche, unabgeschlossene Elemente werden bewusst gemacht, um damit dem Supervisanden aufgrund einer erweiterten Einsichtsfähigkeit eine Annäherung an sein Problem und im folgenden eine konstruktive Auseinandersetzung zu ermöglichen.

Das Vereinfachen
Komplexe Erlebnisinhalte und Zusammenhänge werden auf vereinfachte, übersichtliche und überwindbare Sachverhalte reduziert.

Das Akzentuieren
In dieser Kategorie wird die Entscheidung getroffen, auf welchen Verhal­tensaspekt bei der Problemanalyse und Bewältigung die zentrale Aufmerk­samkeit gelenkt werden soll.

In den beiden Formen der Interventionsstrategien „Vereinfachen“ und „Akzentuieren“ tref­fen wir auf Zielsetzungen der Ermutigungsstrategie:
Mut machen und das Problem (neu) einordnen und verstehen. Alle drei genannten Strategien dienen der Konkretisierung:

  • das interessierte und umsichtige Nachfragen des SR bei stereotypen und phrasenhaften Schilderungen
  • die Aufforderung zu detaillierten Hergangsschilderungen

Abstrakte Beschreibungen, stereotype und phrasenhafte Begriffe dienen dazu, das Erleben, welches Insuffizienzgefühle im Super­visanden hervorruft, zuzudecken. Ist der Supervisor imstande, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, die dem Supervisanden die Sicherheit gibt, trotz seiner Unzulänglichkeiten wertgeschätzt zu werden, kann der Supervisand wieder Zugang zum eigenen Erleben und Handeln finden. Wahrnehmungsübungen und Rollenspiele (vgl. S. 71) können als bele­bende Methoden eingesetzt werden.

Das Rückmelden
Der Supervisand erhält vom Supervisor (bewertende) Informationen über sein Verhalten. Der Supervisor hat sich bei dieser Kategorie zunächst in das Erleben und die gedankliche Struktur des Supervisanden hineinzuversetzen, bevor er aus seiner eigenen Struktur heraus Stellung nimmt. Eine offene Rückmeldung kann ermutigend wirken, wenn der Supervisand sich beispielsweise bisher nicht zugetraut hat, einzelne Verhaltensweisen in der Zusammenarbeit mit Kollegen und Klienten auszuprobieren, weil er deren Anlehnung befürchtet hat; oder es war ihm nicht bewusst, inwieweit er mit seinem Handeln ein ihm uner­wünschtes Handeln anderer herausfordert und begünstigt.
Der Supervisand kann (unvermutet) Anerkennung erfahren, seine eigene Wirksamkeit registrieren und bearbeiten, er könnte lernen, sich trotz seiner Fehler angenommen zu fühlen und sich selber auch anzunehmen.
In dieser Form zählt das Rückmelden zu der Gruppe von Interventionen, die über das Strukturieren zum Umstrukturieren führen.

Die Selbstaktivierung
Innerhalb der Ermutigungsstrategie nimmt das Selbstaktivieren eine über­geordnete Position ein. Alle Interaktionsformen von Seiten des Supervisors zielen darauf ab, dass der Supervisand sein Problem eigenverantwortlich lösen kann.
Bastine schildert einzelne Aspekte, die das Selbstaktivieren beeinflussen sollen:

  • Vermeiden von Ratschlägen, Interpretationen, Erklärungen; geringe inhaltliche Lenkung
  • therapeutisches Wissen zur Verfügung stellen
  • Beobachten und Registrieren des eigenen Verhaltens
  • Selbstbestimmung in Zielsetzung, Analyse, Planung und Lösungsansät­zen; vereinbaren begrenzter Zuständigkeit des Therapeuten
  • eigenständige Bewertung des Verhaltens und Selbstbelohnung
  • Verbalisierung von Zielen (Motiven) und Problemen
  • Ermutigen von (voraussichtlich erfolgreichen) Eigeninitiativen
  • übernehmen von Aufgaben außerhalb der Therapie (Bastine 1975, zit. in Antoch, ebd., 152).

Das Attribuieren
Dieser Kategorie schreibt Bastine insbesondere Interpretationen und Erklä­rungen zu, während sie bei den Aspekten des Selbstaktivierens vermieden werden sollen. Die Widersprüchlichkeit hebt Antoch auf, indem er darauf hinweist, dass prinzipiell Deutungen als Arbeitshypothesen angeboten wer­den sollen.

Selbstaktivieren und Attribuieren stehen in einem gemeinsamen Kontext im Sinne von Heisterkamp, der in der Strukturierung bereits den Beginn der Umstrukturierung sieht.

Das Unterbrechen von Handlungsketten
Bastine bezeichnet das Unterbrechen von Handlungsketten als Anhalten und Verändern von gewohnten Handlungs- und Gedankenmustern zur Neustrukturierung eingefahrener Problembereiche (Bastine 1975; in Antoch ebd., 153).
Ziel von Interventionsstrategien ist es, anhand alternativer Möglichkeiten erlernte Automatismen, Gewohnheiten, vermeintliche Notwendigkeiten und Selbstverständlichkeiten im Verhalten zu bedenken und gegebenenfalls aufzuheben.

Das Modellieren
Gemeint ist hiermit die Einflussnahme anderer Personen auf die Verhal­tensweise des Ratsuchenden.
Um diese Kategorie in die Ermutigungsstrategie mit einfließen zu lassen, sollten die im Supervisanden bereits vorhandenen Lösungsansätze aktiviert und in erfolgversprechende Bahnen gelenkt werden. Beispiel und vorbild­hafte Vorgaben, wie der Supervisor selbst oder andere Personen ähnliche Probleme bewältigt haben, wirken eher ablenkend oder beklemmend auf die verun­sicherte Position des Supervisanden, als dass sie hilfreich wären.

Das Konfrontieren
Hier konfrontiert der Supervisor den Supervisanden mit dessen Lebensstil-Irrtümern und bremst eventuelle Ausflüchte. Ordnend und klärend zur Umstrukturierung in ermutigender Weise beizutragen, verlangt vom Supervisor, dass er seine eigenen Lebensstilanteile, die die Betrachtung der Problemstruktur beeinflussen, berücksichtigt und darauf achtet, den Supervisanden in respektvoller Weise und in einer Situation mit seinen Irrtümern zu konfrontieren, in der dieser sich in der Lage sieht, Kontakt mit ihnen aufzunehmen.

Die von Bastine unberücksichtigt gebliebene Methode des Verstärkens im Modell des operanten Konditionierens der Verhaltenstherapie soll in dieser Abhandlung ergänzt werden, da sie entscheidende Parallelen zur Ermuti­gung zeigt:

  • bei beiden Interventionsstrategien muss der Ansatz einer Verhaltensweise vorhanden sein, um verstärkend oder ermutigend intervenieren zu können.
  • Das Ziel beider Methoden liegt darin, die Häufigkeit, wünschenswerte Verhaltensweisen anwenden zu können, zu erhöhen.
  • Inwieweit die angewendete Methode nicht als Versuch versandet ist, sondern zum Erfolg geführt hat, erkennt man bei beiden Methoden daran, ob das vorher gesetzte Ziel erreicht ist.

Bei den beschriebenen Gemeinsamkeiten unterscheidet sich die Ermuti­gungsmethode dennoch an einigen wesentlichen Punkten von der Verstär­kung:

  • kognitive und emotionale Anteile werden nicht als Begleiterscheinungen eines Problems betrachtet, sie werden in einem in sich schlüssigen Zusammenhang gesehen und bearbeitet.
  • Zudem verfolgt Ermutigung nicht vordringlich das Ziel, Verhaltenswei­sen zu verändern; sie wendet sich vornehmlich Einstellungen, Meinun­gen und Motivationen des Supervisanden zu.
  • Der Supervisor spricht den Supervisanden als handelnden Akteur und Agierenden und nicht als Re-agierenden an.

Als Quintessenz der vergleichenden Betrachtung, in welchem Bezug das Konzept der Ermutigung zu den aufgeführten Formen von Interventionsstrategien steht, kann festgehalten werden, dass die Ermutigung ein komplexer Inter­aktionsvorgang ist, in den sich die anderen Methoden unter der Prämisse, den Grundsatz der gleichwertigen Kooperation der beteiligten Akteure anzuer­kennen und der jeweiligen Situation des Supervisionsprozesses angepasst zu sein, integrieren lassen.